Einen der größten Kunstskandale der vergangenen Jahre hat Wolfgang Beltracchi (*1951) verursacht. Er fälschte verschollene Werke von expressionistischen Malern, seine Frau und ihre Schwester boten die Bilder großen Auktionshäusern erfolgreich an. 2010 flog der Schwindel auf, die Beteiligten wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Dr. Erhard Jägers ist promovierter Chemiker. Er hat sich auf die Analyse von Pigmenten spezialisiert, die bei Kunstwerken verwendet wurden. Sein Labor im Norden von Bonn wird von Sammlern, Auktionshäusern und Museen beauftragt. Er war unter den Ersten, die den Beltracchis auf die Schliche kamen.
Ganz legal hat Andy Warhol (1928–1987) mehrfach dasselbe Motiv verkauft. Seine Leidenschaft für Reproduktion hatte verschiedene Quellen: Druckverfahren laden dazu ein, dieselbe Vorlage immer wieder abzubilden. Gleichzeitig strebte Warhol danach, selbst die perfekte ‚Kunst-Maschine‘ zu sein, mit einem Output von 4.000 Bildern am Tag (dieser Zahl ist er allerdings auch an seinen besten Tagen nicht nahegekommen).
Vorstellungen von Einmaligkeit und Wert von Kunstwerken hat Warhol umgestoßen. Als er schon erfolgreich war, zeichnete er von jedem ein Portrait, der dafür 25.000 $ zu zahlen bereit war. Die Produktion seiner Siebdrucke hat er bald in die Hände eines jungen Assistenten gelegt. Kann man da noch von einem ‚echten Warhol‘ sprechen?
Dass Unikate einen besonderen Wert haben, lernte Johann Sebastian Bach (1685–1750) von seinem großen Bruder Johann Christoph (1671–1721). Heimlich kopierte Johann Sebastian, damals noch Teenager, eine einzigartige Handschrift mit verschiedenen Musikstücken, die sein Bruder wiederum seinem Lehrer Johann Pachelbel (1653–1706) abgekauft hatte. Johann Christoph Bach, der zu Recht Wertminderung durch Kopien fürchtete, reagierte deutlich.
Der vielleicht bekannteste Komponist zu Bachs Lebzeiten war Antonio Vivaldi (1678–1741). Der Italiener hat ein und dieselbe musikalische Anlage mehrere hundert Male verwendet; Vivaldi hat etwa 500 Konzerte, die meisten für die Geige, hinterlassen. Zwei Jahrhunderte später nörgelte Igor Strawinsky (1882–1971), Vivaldi sei ein „langweiliger Genosse“ gewesen, weil er zu wenig mit der Gestalt des Konzerts experimentiert habe.
Johann Sebastian Bach hat in Vivaldis ständiger Wiederholung der Konzertform unschätzbare Anregungen gefunden. Auch Vivaldis Musik hat Bach handschriftlich kopiert, diese Transkriptionen weichen aber teils deutlich von der Vorlage ab. So hat Bach die Besetzungen geändert und die bewusste Schlichtheit des Originals zugunsten einer tiefergehenden Ausgestaltung aufgegeben.
Eine ganz neue Bedeutung haben musikalische Kopien im Hip-Hop gewonnen. Kurze Schlagzeug-Soli aus Funk- und Soulnummern wurden ab den 1960er-Jahren aus den ursprünglichen Titeln herausgelöst und in Dauerschleife gespielt zur Grundlage neuer Songs. Zu den frühesten Geräten zum Samplen vom Tonband gehört das Mellotron.
Kamen anfangs noch Tonbänder zum Einsatz, ist sogenanntes ‚Sampling‘ heute digital möglich. Weil fremde Musik kopiert wird, ist die Geschichte des Hip-Hop geprägt von Urheberrechts-Streitigkeiten.
Kopieren ist Teil allen Lebens. Nicht nur der Mensch schafft Abbilder (oder ist selbst eines, wie es die Bibel lehrt), auch Lebewesen ohne festen Zellkern, sogenannte Prokaryoten (im Gegensatz zu den Eukaryoten, zu denen auch die Menschen gehören), erschaffen Kopien ihrer Umwelt. Sie integrieren DNA von feindlichen Viren in ihre eigene DNA, diese ‚Datenbank‘ bildet die Grundlage ihres Immunsystems.
Weil Prokaryoten die fremde DNA mithilfe von Proteinen in die eigene DNA aufnehmen, spricht man auch von einer Genschere. Was in der Natur nur bei Bakterien oder Archaeen vorkommt, lässt sich allerdings auch für den Menschen nutzbar machen. Für die Erforschung der Genschere CRISPR/Cas9 haben 2020 die Forscherinnen Emmanuelle Charpentier (*1968) und Jennifer Doudna (*1964) den Nobelpreis für Chemie erhalten.
Das vom Immunsystem geschaffene Abbild hat einen weiteren großen Nutzen: Es beweist die Existenz von ‚gespeicherten‘ Viren. Forscher konnten bisher nur etwa drei Prozent der in Prokaryoten gefundenen fremden DNA schon bekannten Viren zuordnen. Die Kopie ist in diesem Fall – wie so oft – der einzige Nachweis der Existenz des Originals.